"Kunst
gibt nicht das Sichtbare wieder sondern macht sichtbar"
- dieser oft zitierte Satz gehört zu
den zentralen und mit Recht berühmt gewordenen
programmatischen Behauptungen der Kunstgeschichte des
20. Jahrhundert. Es war der Maler Paul Klee, der diesen
lapidaren und zugleich wirkmächtigen Satz
im Jahre 1918 niederschrieb, gleich zu Beginn seiner
von ihm selbst so bezeichneten "Schöpferischen
Konfession". "Kunst gibt nicht das Sichtbare
wieder sondern macht sichtbar" - war im zeitlichen
Kontext zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zündstoff.
Denn gemeint war nichts weniger als die grundsätzliche
und radikale Infragestellung des Abbildprinzips in der
bildenden Kunst, das seit Jahrhunderten gültig
war. Es ging damit um die Autonomie der künstlerischen
Mittel und damit um die Befreiung des Geistigen aus
den Zwängen des Gegenständlichen und Materiellen.
Es war die Geburtsstunde der abstrakten Kunst. Das war
vor ca 100 Jahren, aber es lohnt sich, diesen Satz von
Paul Klee immer wieder zu zitieren, auch heute an diesem
Ort. Die künstlerischen Arbeiten von Thomas Werk
( 1971 in Berlin geboren, im früheren Ostteil von
Berlin), die ab heute in diesem wunderbaren Kirchenraum
zu sehen sind, haben damit essentiell zu tun. Es ist
der nüchterne und zugleich hohe Ton der Worte von
Paul Klee: beide sind entscheidende Momente in den Arbeiten
von Thomas Werk, das Lapidare und die Offenbarung, die
Nüchternheit und der hohe Anspruch - das nicht
Sichtbare sichtbar machen. Das bedeutet die Verweigerung
jeglicher Illustration von sichtbarer, gegenständlicher
Wirklichkeit. Alle Arbeiten, die hier zu sehen sind,
haben eine christlich-religiöse Inspiration als
Ausgangspunkt. Es sind insgesamt 33 Arbeiten, davon
7 Skulpturen aus Stahl, 1 Arbeit in Holz und 25 gemalte
Bilder. Die Skulpturen sind im vorderen Eingangsbereich
aufgestellt, die Bilder hängen an den Wänden
der Seitenschiffe. Alle Arbeiten haben vom Künstler
Titel erhalten: "Bergpredigt", "Leidenskelch",
"Vergebung", "Gebet", "Kruzifix",
"Pieta", "Auferstehender" und "Offener
Himmel" um nur einige zu nennen. Auch die Skulpturen
im Eingangsbereich sind vom Künstler selbst bezeichnet
und stammen aus dem religiösen Kontext: "Gebet",
"Engel", "Betende Hände" und
andere ... Wir wissen ja, daß so gut wie alle
Kunstbetrachter gerne erst den Titel und dann das Kunstwerk
anschauen. Das geht hier nur mit Zettel (gleich
beim Eingang zu haben) und macht die Sache aber nicht
unbedingt einfacher. Denn alle Arbeiten von Thomas Werk
sind freie Figurationen, die bisweilen Assoziationen
an Gegenständliches zulassen oder herausfordern,
aber niemals etwas Sichtbares abbilden oder illustrieren.
Bei den gemalten Arbeiten sind es zeichenhafte
und gestische Figuren mit viel Umraum auf weiten Flächen,
die Skulpturen schaffen sich ihre Räume aus der
Dreidimensionalität. Kein Auge hat diese Figurationen
in dieser Form je zuvor gesehen. Das Zeichenhafte und
Gestische dieser Werke, ob gemalt oder in dreidimensionalen
Skulpturen geschaffen, ob streng gebaut oder dynamisch
bewegt, erzeugt Räume der Imagination. Sie erzählen
nichts, was wir schon wissen, sie verfügen über
nichts, diese "Zeichen und Wege" - so der
Titel der Ausstellung - sie suchen vielmehr etwas. Die
visuelle Energie, die in dieser Suche nach der Gestalt
und dem Ausdruck in diesen zeichenhaften Arbeiten steckt,
enthält ein starkes Moment des Ergriffenseins.
Das heißt, jedes Bild - zum Beispiel auch das,
was auf der Einladung abgebildet ist - "Ich
erzähle Dir meine Wege nach Ps. 119" zeugt
vom Ergriffensein.Die Art und Weise der Entstehung der
gemalten Bilder läßt das nachvollziehen,
vielleicht, der Künstler ist anwesend, man könnte
ihn über seine Arbeitsweise befragen. Deutlich
wird beim Blick aus der Nähe, daß für
diese Bilder keine Vorzeichnungen möglich und nötig
sind, weil dieses Suchen, von dem eben die Rede war,
ein Weg ist, der zwar gedanklich und gefühlsmäßig
vorbereitet ist und dann aber prozesshaft schnell ins
Bild gesetzt wird. Inspiriert und beeindruckt von Worten
aus den Evangelien (Bergpredigt, Golgotha und andere)
oder der mitreißenden Poesie der Psalmen - die
der Künstler meistens in winziger, enger, kaum
erkennbarer Bleistiftschrift auf dem Bildfeld mitliefert
- werden zu bildhaft gestalteten Chiffren und Paraphrasen,
wenn Empfindung, der Pinsel in der Hand, das Papier
und ein bestimmter Zeitpunkt konzentriert, energetisch
und rasch und dabei überaus präzise zusammenkommen
- jedes Bild ein Risikounternehmen. Denn das Ergebnis
ist nicht korrigierbar. Der Künstler kann es verwerfen
oder akzeptieren, aber nicht korrigieren. Es ereignet
sich. Das heißt, was hier an den Wänden zu
sehen ist, sind Ereignisse, Zeugnisse des Ergriffenseins
und damit auch des Verletzlichen und der Anfechtung,
übrigens auch zentrale Momente eines jeden Glaubens.
Es gibt keinen Glauben ohne dieses Ergriffensein, ohne
diese Anfechtung. Gleichzeitig haben wir es mit einer
robusten Ästhetik zu tun. Man spürt, daß
Thomas Werk die Körperhaftigkeit und das Geerdete
kennt, eigentlich sogar zum Ausgangspunkt nimmt, denn
die menschliche Figur taucht in streng vereinfachter,
stilisierter Form immer wieder auf. Die bildimmanente
Suche nach Grenzüberschreitung des rein Irdischen
und Materiellen ist Teil dieser unsentimentalen Werke,
die aber intensive Gefühle freisetzen können.
Oft haben die Figurationen, die Blöcke, Stäbe
und Kreise keine festen Umrisse, sie fransen aus, öffnen
sich, hinterlassen Spuren in Form von Farbspritzern
und Flecken, sind in sich unperfekt und suchen etwas
im weiten Bildraum. Wer kennt schon die Wege? Unübersehbar
ist dabei die reduzierte Farbigkeit, besonders prägnant
im räumlichen Kontext dieses starkfarbigen expressionistischen
Kirchenraumes. Thomas Werk kommt im Wesentlichen mit
2 Farben aus: Rostrot und Schwarz, keine herrlich leuchtenden
Farben, sie sind eher stumpf und matt und auch das bislang
selten vorkommende starke Gelb, ist dunkel vermischt,
das Strahlende gezielt vermieden, ein schmutziges Gelb
wie bei der Darstellung "Auferstehender".
Das Rostrot ist eine in Schweden gebräuchliche
Holzschutzfarbe, sehr haltbar. Von der Material-Ikonografie
her also betont alltagsgebräuchlich, unfeierlich,
bedeutet das Gegenteil vom Goldgrund. Das Schwarz ist
von der gleichen Grundsubstanz. Auch Tusche und Gouache,
die eine fluide Qualität erzeugen, kommen vor,
und häufig Kohle.Bei dieser gezielten Reduktion
der künstlerischen Mittel - im Gestus des Farbauftrages
wie der unbunten Farbpalette selbst, bekommen die Arbeiten
eine Strenge, die nicht nur eine erstaunliche Wirkkraft
hat sondern auch dem Auge wohltut angesichts des penetranten
zeitgenössischen Bilderlärmes in unseren Stadträumen.
Hinzu kommt die wirklich edle Rahmung dieser Bilder.
Sie sind auf Papier gemalt, sind dann von einem Buchbinder
auf große helle Leinwände aufgezogen und
erhalten dadurch eine Großzügigkeit, eine
Noblesse, die sie von ihrem Gehalt her auch fordern.Die
Arbeiten von Thomas Werk sind asketisch, sie fasten.
Bilder wie Skulpturen haben etwas Karges und Schweigsames
und in dieser enthaltsamen Ästhetik besteht ihr
Geheimnis und ihre bisweilen kalligraphische Kostbarkeit,
ganz ohne wertvolle Materialien. Dabei wird sich nicht
jedes Werk für jedes Auge gleichermaßen erschließen.
Je mehr Zeit Sie übrig haben, um so eher bekommen
Sie Zugang ... die Titel können dabei helfen -
oder auch nicht. Unter der Überschrift "Zeichen
und Wege" sind die Bilder hier an den Wänden
der Seitenschiffe des Kirchenraumes zu sehen. Bei ihrer
Hängung, die der Künstler selbst vorgenommen
hat, herrscht eine überlegte Ordnung, der Sie folgen
können, wenn sie wollen, aber zum Verständnis
der Arbeiten nicht unbedingt müssen. Es sind an
jeder Wand entlang der Seitenschiffe jeweils 9 Bilder,
die in Dreier- Konstellationen wie Triptychen zusammen
gesehen werden können. Sie entstanden zwischen
2003 und 2008. Der Rundgang beginnt vom Eingang her
gesehenen links mit der ersten Dreierkonstellationen,
eher kleinformatig - Engel/Jesustorso/Weinstock - geht
weiter über die schon mehrfach ausgestellte Verkündigung
an Maria über eine ganz neue Holzskulptur mit dem
Titel Wegrandkapelle (aus Fundstücken zusammengesetzt),
die im ersten Abschnitt des Seitenschiffes frei im Raum
steht, und weiter geht es dann entlang des Seitenschiffes
mit den Dreier-Konstellationen Stall/Kruzifix/Pieta
und Tisch/Bergpredigt/Schädelstätte bis zum
Ende des Seitenschiffes, und setzt sich dann auf der
anderen Seite von der Chorseite her gesehen fort und
entläßt uns wie ich finde höchst
sinnfällig mit dem Pilger neben dem Ausgang.
Bleibt zu sprechen von den Skulpturen, ein wichtiger,
wenn nicht zentraler Bereich des künstlerischen
Schaffens von Thomas Werk. Es sind Prototypen aus Stahl
für Monumente, die in wirklich monumentalen, geradezu
riesigen Dimensionen vom Künstler gedacht sind,
z.B. als Monumente im städtischen Raum. Diese
Prototypen sind auch in ihrem kleinen Format ( um die
40 cm hoch) eindrucksvolle Kunstwerke: die Klage, die
betenden Hände, der Stern von Bethlehem oder der
Engel. Für diese Stahl-Skulpturen entstehen Vorzeichnungen,
nach denen der Metallbauer Einzelelemente anfertigt
und miteinander verschweißt. Ganz neu angefertigt
wurden dafür die Sockel, sie bestehen aus unbearbeiteten
älteren, geradezu historisch anmutenden Stahlplatten,
die vom Künstler völlig unbeeinflußt
eine hoch differenzierte Färbung angenommen haben,
die staunen läßt. Erinnern sie doch an den
teuerst hergestellten Stuckmarmor, den wir aus barocken
Altären kennen - und das für Skulpturen, die
alles andere als barock sind, aber doch in aller Armut
eine feierliche, fast sakrale Aura bekommen. Auf den
im Eingangsbereich gleich in den Blickpunkt gerückten
Engel sei besonders hingewiesen. Seine Formen sind extrem
einfach in der für Thomas Werk typischen Reduktion
auf geometrische Urformen: Kreis, Quadrat, Rechteck
schaffen sich dreidimensional und blockhaft Raum und
assoziieren in dieser strengen Abstraktion eine aufrecht
stehende Gestalt mit ausgebreiteten Armen oder Flügeln.
Erinnerungen an Kreuz und Triptychon stellen sich ein,
wer derartige Assoziationen zulassen möchte. Gedacht
ist dieser (noch) kleine Engel als öffentliches
Zeichen in der Stadt, vielleicht Berlin, fest geerdet
und gleichzeitig aufragend in den Himmel. Gerade der
unprätentiöse Werkstoff Stahl eignet sich
für dieses Monument hoheitsvoller Stille. Man könnte
sich vorstellen, wie der Engel hoch in die Lüfte
ragt und der Himmel und die wechselnden Witterungs-
und Lichtverhältnisse an der Wirkung mitbauen -
ein Projekt, das der Realisierung harrt. Vorerst steht
der Engel in guter Umgebung auf seinem schönen
Sockel in dieser so besonderen und kraftvollen Kirche
am Hohenzollernplatz, wo er sich gar nicht schlecht
macht. Es ist Thomas Werks erste große Ausstellung
in Berlin - ich beglückwünsche ihn. Seine
Arbeiten haben hier einen großartigen Ort gefunden.
Dr. Christine Goetz
Kunstbeauftragte des Erzbistums
Berlin; ZEICHEN und WEGE, Rede zur Ausstellungseröffnung
Kirche Am Hohenzollernplatz, 20. September 2008
Der erste Katalog eines jungen Künstlers (geb.
1971), gesponsert von einem Ehepaar, das sich angesprochen
fand durch die Arbeiten in der weiträumigen Höger-Kirche
am Hohenzollernplatz. Auch diese - in sich schon künstlerisch
reich instrumentiert - ein Spiel-Platz der Stiftung
St. Matthäus unter der Leitung von Christhard Georg
Neubert. Das jüngste und derzeitige Ereignis dort
sind die der Körper-Seele-Osmose gewidmeten fein-groben
Arbeiten von Sabine Hoffmann, Stuttgart - Arbeiten in
Textil, die sich gegen den Putz der Wand und den Stein
der Architektur abheben. Auch sie ist Danzigerin wie
Gabriela Nasfeter, die in Ulm und Berlin (da im Dom,
an der Mauergedenkstätte, in St. Matthäus)
wie auch anderswo Furore machte, sie mit majestätischen
Dimensionen. Für beide Arten der Textilkunst gibt
es in Polen eine große Tradition. Und während
in St. Matthäus, der Stiftungs-Kulturkirche der
Landeskirche am Kulturforum, befreit von üblichen
parochialen Zwängen, sich mehrfach im Jahr eine
erstaunliche Abfolge von Vernissagen bereits arrivierter
wie gerade erst sichtbar gewordener KünstlerInnen
ereignet, oft noch verbunden mit einem eigens dafür
geschaffenen Werk der Reihe „Das Andere Altarbild"
- ist die Kirche am Hohenzollernplatz eine reguläre
Gemeindekirche: Sehschule für jedermann unter den
Kirchen- und Gottesdienstbesuchern. Hier pflegt man
längerfristige „Sommer-Ausstellungen zu veranstalten,
verbunden, gewiß, mit hochrangiger musikalischer
Darbietung. Und übrigens, ein Erbe eines Kunstbeauftragen
-Vorgängers, Bringfried Naumann, fortführend,
auch mit der Pflege des Worts: „Mein Psalm". Jährlich
einmal ist ein/e AutorIn eingeladen, einen solchen als
den eigenen in neuer Sprache anzusagen. Inmitten der
Ausstellung Sabine Hoffmann also dieses Jahr Anja Utler
(zu Psalm 19). Bereits Tradition ist es, von Wolfgang
Huber an Markus Dröge weitergegeben, daß
hierbei der Bischof das Wort der Predigt pflegt: eine
Hör-Schule also inmitten der Seh-Schule. In dieser
Kirche leitete Thomas Werks Werk zum Sehen an. Entlang
der langgezogenen Nischen der beiden Seitengänge
des Schiffs waren die Miniaturen, je zu dreien gruppiert,
zu „lesen". Papierarbeiten. Papier? Darauf schreibt
man gewöhnlich. Mit Schriftformen hat in der Tat
dieses Werk zu tun. Zeichen auf oft beigem oder sandfarbenem
Grund, angesiedelt zwischen erster Vor-Zeichnung, nur
die Fläche markierend, geometrischen Einfach- Formen,
Lettern, Kürzeln. Bleistift, Kohle, Pinsel-Strich,
Tusche. Wo Farbe kommt, ist sie zumeist fonciert, grau,
braun, schwarz kann es sein. Alles knapp gehalten -
viel Platz zum mit-denkenden Nach-Sehen. Gleichsam Ur-Zeichen.
Orphisch? Es erscheint mir wie eine Studie, eine Elementarschrift
zu entwickeln, Für eine Elementarsprache. Die weniger
schreiben und mehr sagen möchte mit wenig(er).
Nicht zu unrecht erinnert Bernhard Lindemann, Direktor
der Berliner Gemäldegalerie, an asiatische Traditionen
der Schriftkunst und der Kunstschrift. Papier, Wasser,
„"Falu Rödfärg" (ein rostbrauner
Ton) neben Schwarz. Und manchmal minimale Notizen, die
man auf den Blättern entdecken kann, die etwas
in Richtung auf ein Thema ganz klein andeuten. „Karge
Ästhetik". Diese Bilder „fasten", sagte
Christiane Götz.Verführerisch freilich sind
dann die Titel, die durchgängig in dieser Ausstellung
biblische Bezüge herstellten. Man muß mit
ihnen richtig umgehen, damit sie sich dem Betrachter
nicht aufnötigen. Und die Betrachtung engführen.
Vorschlag: Man nehme zur Kenntnis, daß der Künstler
durch das genannte Motiv angeregt ist. Man nehme
sich zugleich die Freiheit, sie mehr oder weniger stimmig
zu finden - oder die Ausführung. Man kann es ja
für sich selber durchspielen. Ins Prokrustebett
der Titel-Vor-Schrift gezwängt, mag man zuweilen
den Kopf schütteln, unwillig der Weisung zu folgen.
„Das soll das sein? Den Titel hätte er
sich sparen können". Doch schon hätte
man sich in der Mimetikfalle gefangen. Ich verstehe
den Künstler so, da er assoziierend, wie ein Kind
mit Kegeln spielt, die Grundformen arbeiten, die Zeichen
eine Geschichte erzählen, die Gestik eine Szene
entwickeln lässt. Spielen wir, assoziieren wir
mit - wohin dann auch immer entführt. Vielleicht
hat ja auch das berühmte „o. T.", das so viel
Seriosität in Anspruch nimmt, irgendwann seine
Strahlkraft verloren. Wer will es einem Künstler
verwehren, uns eine Richtung seiner eigenen Assoziation
zu nennen? Wäre es nicht gerade die Bibel, hätten
wir wohl kaum ein Problem damit. Elementarisierung gerade
hier, als wäre es für eine Kinderbibel: why
not? Die Erwachsenen mögen sich dann an den Augenblick,
an den schon wartenden neuen Gestus halten: den sie
selber erbringen sollen. Die Kinder tun es ohnehin.
Diese könnten auch prima spielen, wenn die Prototypen
für die gemeinten stählernen Groß-Skulpturen
im Außenraum - in der Kirche stehen sie in der
hohen Halle des Vorraums - noch kleiner vorhanden
wären. Auch das eine Anregung für den Künstler?
Und für die Gemeinde: die Seh-Schule als Spiel-Schule.
Manfred Richter artheon, 23.08.2011
Kreuze, monumentale Engel, geschliffene Metallskulpturen,
Arbeiten auf Papier - der 1971 in Ost- Berlin geborene
und evangelisch aufgewachsene Thomas Werk gilt als Wegweiser
für moderne, ernsthafte und überwältigende
Kunst im konfessionellen Raum. Seine Arbeiten wirken
nicht schön, sanft oder niedlich. Rauh und ruppig
streben seine zernagelten Hölzer Richtung Himmel,
manchmal ist ihre Haut aufgerissen oder notdürftig
übermalt. Diese Kunst ist nicht jedermanns Sache
- wie moderne Kunst nie von allgemeinem Gefallen sein
kann. Werks Arbeiten provozieren, nicht bis an die Schmerzgrenze,
jedoch gerade soviel, um heftige Diskussionen auszulösen.
Was darf man, was ist erlaubt? Wer legt fest, was erlaubt
ist? Die Friedrichshagener Gemeinde hat in Ansätzen
und im kleinen Kreis gespürt, wie engagiert und
mitunter heftig moderne, positionierte und eben sperrige
Kunst die Herzen bewegen kann. Thomas Werk ist es hervorragend
gelungen, biblische Erzählungen in neuer, radikaler
Form darzustellen. Er will die Diskussion, weicht ihr
nicht aus; wenn Menschen von Kunst bewegt werden, ist
das für den Künstler hoher Lohn, sonst wäre
seine Kunst tot oder für kleines Geld im Baumarkt
zu haben. Werks Bilder und Skulpturen haben mich tief
beeindruckt, weil sie erahnen lassen, dass da einer
mit Herz, Verstand und Bauch Evangelien bebildert. Und
nicht nur bebildert, sondern lebt. Das Zusammengehen
von Wort und Tat in dieser Welt ist nicht eben selbstverständlich,
dadurch aber werden die Arbeiten des Künstlers
einzigartig, echt und wertvoll.
Uwe Baumann
Grossartiges Werk. Über die Ausstellung
des Berliners Thomas Werk im Evangelischen Zentrum Berlin,
Christophorusbote,
Dezember 2009
Monumentales Denken hat unsere Zeit nachhaltig geprägt.
Der Mensch versucht Natur und Geschichte zu beherrschen
und schafft eine Welt der Zerstörung. "Engel",
"Gebet" und "Betende Hände"
des Berliner Künstlers Thomas Werk stehen im Schnittpunkt
dieser existentiellen Spannung. Diese Monumente sprechen
von der großen Sehnsucht nach Frieden, nach Wahrheit
und spiritueller Kraft. Gleichzeitig aber sind sie Zeichen
aus einer anderen Welt, die unserem Leben Richtung und
Weisheit geben können. Wo sollen sie stehen? In
unseren Landschaften und Städten, als Zeugnisse
der Achtung vor einer verwundbaren Schöpfung ...
Dr. Bernward Konermann
KÜNSTLERHAUS BERLIN,
Dezember 2004
Wie viele Zeichen sind notwendig, um von einem Betrachter
als menschliche Figur identifiziert zu werden? Thomas
Werk kommt in seinen Bildern mit zwei Zeichen
aus: einer Geraden und einem Kreis. Für die Erkennbarkeit
ist es ausreichend, wenn sich die runde Form des Kopfes
in unmittelbarer Nähe oder direkt an einem Blockstreifen
befindet, um sofort als Körper interpretiert zu
werden. Mehr braucht es im Grunde also nicht, um einen
Menschen - oder die Idee einer menschlichen Figur darzustellen.
Alles andere ist schmückendes Beiwerk. Konsequent
und fast provozierend setzt der Maler seine puristische
Einfachheit gegen die narrativen Momente und ästhetischen
Begierden unserer Zeit. In seinen Bildern konfrontiert
Thomas Werk die Betrachter mit dem Extrakt seiner zu
vermittelnden Botschaft, der man nicht aus dem Wege
gehen kann.
Dr. Sabine Maria Hannesen
aus "Die Schönheit der einfachen Dinge"
alte und neue Kunst, Band 43, Paderborn, 2006
Den Schwerpunkt lege ich dabei auf das
Titel gebende Werk "Bergpredigt".Bevor wir
uns jedoch dieser Arbeit direkt zuwenden, bitte ich
Sie zuerst einmal Ihre Phantasie spielen zu lassen.
Wie stellen Sie sich eine Darstellung der Bergpredigt
vor? Vielleicht tauchen vor Ihrem inneren Auge sogar
einige Gemälde aus der Kunstgeschichte auf - wie
z.B. das Gemälde des barocken Malers Claude Lorrain
(1600-1682; New York, Frick Collection) oder der
Stich "Die Bergpredigt Jesu" des Romantikers
Julius Schnorr von Carolsfeld aus seiner Bilderbibel?
Vielleicht konnten Sie auch schon eine Führung
durch das hiesige Zisterzienser Kloster mitmachen und
haben dort im Laienrefektorium das Fresko "Die
Bergpredigt" des Malers Eduard von Gebhardt (Ende
des 19.Jh.) entdeckt? Ich vermute, dass Sie sich Jesus
in jedem Fall erhöht auf einem Berg vorstellen.
Umgeben von der großen Schar seiner Jünger
und Zuhörer, die staunend zu ihm emporblicken.
Was bietet dagegen die Kunst Thomas Werks dem Betrachter?
Das Charakteristische an seinen Arbeiten lässt
sich wohl am besten dadurch definieren, in dem man darauf
aufmerksam macht, was man auf seinen Bildern alles nicht
sieht! Trotz seiner Freude an Naturstudien zeigt der
Künstler dem Betrachter keinerlei Hintergrunds-
oder Raumangaben. Wir entdecken nicht einmal eine Horizontlinie
oder einen Hinweis auf eine bestimmte Tages- oder Jahreszeit.
Würde man die Arbeiten nicht sehen, sondern nur
ihre Beschreibung hören, könnte man meinen,
seine Darstellungen schwebten in einem luftleeren Raum.
Und tatsächlich strahlen sie den Zauber einer visionären
Erscheinung aus. Durch den fehlenden Hintergrund und
die ruhige Haltung erlangen seine Figurengruppen und
Einzelfiguren Allgemeingültigkeit. Darin wird Werks
Neigung zur 'Monumentalität' erkennbar - jedoch
niemals protzig prahlerisch, sondern immer in schlichter
Bescheidenheit und Stille. Nicht das Sosein eines bestimmten
Menschen ist gemeint, sondern ein allgemein verständliches
Bildzeichen für Mensch. Die klaren Formen sind
wie Bausteine aneinander und übereinander gesetzt.
Allein durch geringfügige Überlagerungen wird
den Figuren Volumen verliehen und eine gewisse Bildtiefe
angedeutet. Nur durch die Anordnung der Blockstreifen
kann der Betrachter die Haltung einer Figur ermitteln.
Detaillierte Binnenzeichnungen gibt es nicht. Thomas
Werk nimmt sich die geistige Freiheit "seine"
Bergpredigt stilistisch ganz anders zu gestalten, als
nach unserer herkömmlichen Sehgewohnheit. Die Zuhörer
stehen zu beiden Seiten neben ihm und blicken auf den
Sitzenden herab! In einer Art zusammengefalteter Haltung
sitzt Christus versunken auf dem Boden. Der Zeichenanordnung
nach zu schließen, hält er sein Haupt nach
vorne geneigt, vielleicht auf ein inneres Hören
konzentriert, so als sprächen in der Bergpredigt
die Worte des Vaters durch ihn. Keine vehementen Gesten,
keine eindringlichen Aufrufe an die Versammelten den
Geboten Gottes zu folgen - ja anscheinend nicht einmal
ein Blickkontakt mit seinen Jüngern - sondern eher
eine meditative Besinnung, ein leises Raunen über
die christlichen Glaubensinhalte. Die Jünger beugen
Ihren Kopf vor ihm, vor seiner Weisheit. Die Göttlichkeit
Jesu bedarf für Thomas Werk keines äußeren
Machtzeichens...
Gab es bei der "Bergpredigt"
noch letzte Anklänge an figürliche Formen,
wagt der Künstler bei seinem Werk "Dreieinigkeit"
den Schritt in die reine Abstraktion. Eine geometrische
Komposition in roter Falu Rödfärg - Farbe
mit zum Teil auslaufenden Farbrändern. Ja, -
aber darüber hinaus noch weit mehr. Thomas
Werk komponierte aus den drei geometrischen Grundformen
- Quadrat, Kreis, Dreieck - seine persönliche
Auffassung der Trinität. In freiem, ungebundenen
Umgang mit Jahrhunderte alten Bildvorstellungen und
Bilderwartungen reduziert er alles auf ein Minimum:
Wir sehen - nahezu auf einer Ebene - drei ineinander
verankerte Zeichen. Das leicht erhöht angeordnete
Dreieck verbindet Quadrat und Kreis und bildet dadurch
andeutungsweise eine pyramidale Komposition. Die drei
Zeichen sind in ihren Maßen und Proportionen absolut
gleichwertig - jedes für sich ein Symbol der Vollkommenheit
und Ganzheit und Ruhe. Sie sind nicht exakt mit Lineal
und Zirkel entstanden - sind keine toten Linien und
Formen, sondern durch den malerischen Duktus bleiben
Anfang und Ende der Strichführung und Werks individuelle
Handschrift erkennbar. Der Künstler weist den drei
geometrischen Grundzeichen eine neue geistig-geistliche
Bedeutung zu: als Symbol für das Mysterium der
Dreifaltigkeit - drei Wesen in einem - weit entfernt
von dem Wunsch, die Unmöglichkeit einer Gottes-Abbildung
außer Kraft setzen zu wollen. In der Kirchengeschichte
gab es gegenüber abstrakten Gottes-Zeichen aber
auch immer wieder Einwände und Verbote: Dies betraf
vor allem das Dreieck, das dem Verdikt des Augustinus
ausgesetzt war, weil es damals gleichfalls von einer
ketzerischen Gruppierung (den Manichäern) verwendet
wurde. Es blieb aber trotzdem gebräuchlich und
wurde seit dem 17. Jahrhundert vorherrschend mit der
Hand oder dem Namen Gottes oder mit dem Auge Gottes
im Strahlenkranz dargestellt. Das 14. Jahrhundert entwickelte
das Symbol dreier konzentrischen oder in sich verschlungenen
Kreise. Schon früher kamen Durchdringungen von
Kreis und Dreieck vor, die als Zeichen göttlich-kosmischer
Harmonie galten und in diesem Sinne in gotische Architekturentwürfe
mit einflossen; wobei direkte, trinitätsbezogene
Grundrisse erst im Barock auftauchen. Im Gegensatz zur
griechischen Tempelarchitektur und zu islamischen Moscheen
(Cordoba u.ä.) entwickelte das Christentum in der
Romanik die drei Apsiden oder die Vierung, die in eine
Kuppel übergeht. Diese Raumkörper-Symbolik
war nicht zufällig entstanden, sondern wurde von
den Architekten ganz bewusst als christliche Bedeutungsträger
an den liturgisch zentralen Stellen eingebracht, denn
auch der Würfel (Quadrat) und die Kugel (Kreis)
sind vollkommene Körper, die eine visuelle Brücke
zur Vollkommenheit und Endlosigkeit Gottes schlagen
sollen. Vor deisem Hintergrund und der Entwicklung der
soeben skizzierten abstrakten Formsprache, scheint mir
Thomas Werks Synthese der Zeichen und seine Erweiterung
durch das Quadrat absolut gelungen. Die Darstellung
vermittelt Ausgewogenheit, Gleichheit und Ruhe - sie
erscheinen wie solide Bausteine des Glaubens...
Auf den anderen Arbeiten können
Sie entdecken, wie virtuos Thomas Werk mit seinen besonderen
formal-ästhetischen Mitteln Schmerz auszudrücken
versteht, wenn Sie sein Bild "Kruzifixus"
betrachten: Es bündelt das Leid und die Verletzlichkeit
Christi in den ineinander verschränkten breiten
schwarzen Strichen. Steigerung durch Reduktion. Kein
Kreuz ist sichtbar und doch spürt jeder die Last
und die Qual des Kreuzes. In seiner Gott-Verlassenheit
sieht es fast so aus, als würde sich Jesus zum
Trost selbst mit seinen Armen umfassen, um an dieser
Marter nicht völlig zu zerbrechen. Stilistisch
anders sein "Jesustorso", der durch die offene
Linienführung der Interpretation des Betrachters
noch mehr Spielraum lässt, denn ganz automatisch
vollendet er im Geiste den Umriß und den Raum
und füllt die 'Leerstellen' mit seinen eigenen
Vorstellungen. So werden Reduktion und Aussparung in
Werks Arbeiten für den Betrachter zu einer Bereicherung
und sind auch vom Künstler als Herausforderung
des aktiven geistigen Mitgestaltens gedacht. In bewusster
Selbstbeschränkung gelingen ihm auf diese Weise
überaus nuancierte Darstellungen, die nachdrücklicher
faszinieren können, als ausschweifende Fülle
es vermag. Sie sehen, Thomas Werk erweist sich in seinen
Arbeiten als subtiler Konstrukteur von Linie und Form.
Seine unprätentiösen Arbeiten beeindrucken
durch technische Virtuosität und die Fähigkeit
mit den sparsam gewählten Gestaltungsprinzipien
ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen. Seine
Darstellungsweise erstaunt und regt zum Nachdenken -
zum Neu-Denken an. Er nimmt sich die Freiheit alte Sehgewohnheiten
der Bildenden Kunst in Frage zu stellen und für
sich neue Wege zu beschreiten...
Dr. Sabine Maria Hannesen aus: Rede
zur Ausstellungseröffnung "Bergpredigt"
Evangelische Akademie Loccum,
1. September 2007
Liebe Gemeinde,heute ist der Buß-
und Bettag.Er ist ein Tag der Selbstprüfung und
der Umkehr.Und es ist ein Tag des Gebetes.Wie anders
als im Gebet sollte auch unsere Umkehr geschehen?Nun
geht an diesem Buß- und Bettag das Kunstprojekt
„Hier und dort“ mit dem Berliner Künstler Thomas
Werk in unserer Kirche zu Ende. Thomas Werk ist ein
betender Künstler. Seine Arbeiten entstehen in
der Auseinandersetzung mit Gott, im Gebet.Und einige
der ausgestellten Skulpturen haben auch das Gebet unmittelbar
zum Thema. Ihnen möchte ich mich in dieser Predigt
widmen. Ich erhoffe mir davon für Sie und für
mich Anregungen und Ermutigungen zum Gebet, so wie es
der Apostel Paulus am Ende seines Philbriefes schreibt:„Sorgt
euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten
im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden.“
(Phil. 4,6)Sorgt euch um nichts, sondern bringt alle
eure Angelegenheiten im Gebet vor Gott. Lasst es ihn
wissen.So ist also das Gebet ein Gegenprogramm gegen
das Sorgen.Freßt eure Probleme nicht in euch hinein
, sondern betet.Klagt und jammert nicht, sondern bringt
eure Ängste und Schmerzen vor Gott. Auch eure Schuld
und eure Scham. Resigniert nicht, sondern fleht anhaltend.Und
vor allem: reduziert nicht alles auf eure Probleme:
betet Gott an und dankt für alles Gute.Wie wird
dies sichtbar in den Arbeiten von Thomas Werk?1. Sehen
wir zuerst auf die Skulptur Betende Hände.Sie gibt
eine Haltung wieder:Zusammengelegte, aufeinander gelegte
Hände.In der reduziertest denkbaren Form wird hier
die körperliche Haltung eines Beters, die ja mehr
als eine Haltung der Hände ist, wiedergegeben.Ich
erhebe mich. Ich stehe da. Ich bin ganz da. Ich stehe
vor Gott. Und ich sammle mich.Ich lege meine Hände
zusammen. Ich handle jetzt nicht. Ich gebe mich in Gottes
Hand.Im Aufeinanderlegen der Hände öffne ich
mich und konzentriere mich zugleich. Ich grenze mich
nach außen ab und schließe alles, was wirklich
zu mir gehört in meine Gebetshaltung ein.Ich spüre
mich selbst in meinen Handflächen. Ich bleibe aber
nicht bei mir selbst.Die Haltung meiner Hände weist
über mich hinaus. Meine Finger zeigen auf Gott.Mit
all meinen Dingen, die in mir sind. Und ohne all die
Dinge, die sonst ständig um mich herum sind.So
beginnt ein Gebet.Mit einer Haltung.Und oft genügt
bereits diese Haltung als Gebet. Und vieles, was ich
sagen könnte, ist eher zu viel. Ich lasse es, ich
bleibe in meiner Haltung. Ich bleibe bei mir selbst
und werde still vor Gott.Später werde ich die Hände
wieder öffnen und das tun, was mir im Gebet klar
geworden ist. Es gibt unterschiedliche Gebetshaltungen.
Sie signalisieren mir jeweils etwas anderes. Es lohnt,
sie für sich zu erproben.Auch die, die in unserer
ev. Tradition weniger üblich sind oder verloren
gegangen sind, wie die eben genannte Haltung der Hände,
oder das Bekreuzigen, das oder die geöffneten
oder erhobenen Hände.Wichtig ist: Beten, das sind
nicht in erster Linie Worte. Es ist eine Haltung.Zu
dieser Haltung gehört aber auch:Ich stehe mit meinen
Beinen fest auf dem Boden. Das breite Feld meiner Lebensthemen
wird vom Gebet umfasst. Darüber bilden die betenden
Hände ein Dach, sie stützen sich gegenseitig,
damit mein Lebenshaus nicht wie ein Kartenhaus in sich
zusammenfällt.Beten also mit Händen und Füßen,
mit dem ganzen Körper.Beten ist eine Haltung der
ganzen Person.Der Buß- und Bettag will uns in
dieser Haltung bestärken.2. Die zweite Skulptur
zum Thema Gebet hat mich besonders angesprochen. Sie
trägt den Titel „Klage“ und zeigt die Beterin/den
Beter vor Gott mit all seinen/ihren inneren Spannungen.Da
ist Kraft, da ist Wut, da ist Zerrissenheit, da ist
Verzweiflung, auch Zorn und Protest. Da sind Ellbogen
und Fäuste, kyrie eleison.Schau dir das an Gott,
so scheint die betende Figur zu sagen, was ich auszuhalten
habe, was da in mir tobt, was mich schier zum Zerreißen
bringt.Ich halte es dir entgegen, ich konfrontiere dich
damit, mit dem, womit ich nicht fertig werde. Was doch
nicht so sein darf und nicht so bleiben kann.Und doch
ist da im Gebet eine Öffnung.Über meiner Gestalt
mit allem, was auf ihr lastet und an ihr zerrt gibt
es eine Öffnung zu Gott.In allen euren Dingenlasst
eure Bitten in Gebet und Flehen vor Gott kund werden.Alle
Eure Dinge dürfen vor Gott kund werden.Alle.Unzensiert.
Ohne Beschönigung.Unaufgelöst. In ihrer Spannung.Auch
die, die Ihr nicht in Worte fassen könnt.Die ihr
aber als Spannung, als Unruhe, als Bedrückung,
als Angst, als Zorn in euch spürt.Lasst sie ihm
kund werden.Gebt ihnen Raum.Und schließt sie nicht
ab vor eurem Gott.Lösen kann sich nur, was ich
loslasse und nicht krampfhaft festhalte.Jede Lösung
beginnt damit, dass sich in mir etwas löst.Ja noch
mehr: Wenn das Ungelöste Raum haben darf.In der
Klage.im Kyrie eleison.In der Bitte.Im anhaltenden Flehen.Im
Ringen und Weinen,manchmal bis zur Erschöpfung.Lasst,
lasst es zu. Lasst es da sein.Lasst es los. Lasst Gott
es lösen.Auch diese Skulptur beschreibt eine Haltung.In
welcher Haltung bringe ich meine Dinge vor Gott?
Am Buß- und Bettag stellt sich mir diese Frage
besonders.3. Die dritte Skulptur, so finde ich, eröffnet
einen ganz besonderen Blick auf das Gebet.Ganz in sich
verschlungen ist sie. Auf und ab geht es da. Herüber
und hinüber.Kaum zu verfolgen sind sie, die Linien,
die Bewegungen, die Windungen.Die Gedankengänge
und die inneren Prozesse, die dahin führen, dass
sich am Ende ein Weg nach oben auftut.Ja, denke ich,
so geht es mir oft beim Beten, so geht es mir, bis ich
zum Beten überhaupt komme.Viel auf und ab,viel
hin und her.Scheinbar keine Richtung.Im Gebet darf das
alles sein.Und vor dem Beten auch.Wir wissen nicht,
was wir beten sollen. Aber der Geist hilft unserer Schwachheit
auf.Mag sein, dass nur der Geist Gottes das Muster in
all dem erkennen kann, was da in mir vorgeht.Mag sein,
dass für Gott das gerade ein klares Bild ergibt,
was für mich nur ein Knäuel aus Gefühlen
und Gedanken, Wünschen und Widerständen ist.Ich
darf also im Gebet ruhig meine verschlungenen Wege gehen
und meine Winkelzüge machen. Ich muss das Muster
nicht erkennen, das sich darin verbirgt und unbewusst
artikuliert.Ich lasse es. Ich lasse es einfach geschehen.
Denn Gott schreibt auf krummen Linien gerade. Und manchmal
erfahre ich das, was Thomas Werk in seiner Skulptur
ausdrückt:Am Ende finde ich aus dem Knäuel
heraus und es gibt wieder eine klare Linie.Eine Linie,
die aus all meinen Verstrickungen hin zu Gott weist.Und
manchmal geschieht sogar das, was einer Betrachterin
dieser Skulptur in unserer Kirche geschehen ist: Sie
hat im Gewirr der Linien auf einmal eine betende Gestalt
erkannt, kniend, sich mit den Händen an einem Stab
festhaltend. Entscheidend ist eben nicht was ich bete,
sondern dass ich bete. Dass ich ich selber werde, weil
ich mit meinem Wirrwarr vor Gott komme.Auch das ist
ja eine Aussage des Buß- und Bettages.4. Als viertes
habe ich eine Skulptur ausgewählt, die nicht eigentlich
zwingend dem Themenkreis Gebet zuzuordnen ist. Thomas
Werk nennt sie „Heiliger Geist“!Drei Kreise, ineinander
verschmolzen, ein Bild größter Vollkommenheit.Gott
alles in Allem.Man könnte auch eine Darstellung
der Dreieinigkeit darin sehen.Thomas Werk begnügt
sich mit dem Hinweis: Hl. Geist.Was bedeutet dies für
unser Beten?Dass es im Gebet eine Phase gibt, in der
wir uns von uns und unseren Befindlichkeiten weg ganz
Gott zuwenden.Ihn in seiner Vollkommenheit, seiner einfachen
Klarheit und alles umfassenden Gegenwart wahrnehmen
und anbeten.In dieser Phase des Betens werden wir frei
von uns selbst und offen für ein Größeres,
das sich uns nur in Andeutungen und Bildern erschließt,
das aber doch unser ganzes Leben und unsere Welt und
alles umfasst.In dem all unsere Bewegung zur Ruhe findet
und all unsere Ruhe in einen weiten Raum hineingeöffnet
wird.„Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten
und in Ehrfurcht vor ihn treten.Gott ist in der Mitten.
Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge.Geistes-Gegenwart.
Stille. Lobgesang. Dankbarkeit.Dahin will uns auch der
Buß- u. Bettag führen.Darin kommt unser Geist
zur Erfüllung.Weit über unser Klagen und Bitten,
Suchen und Finden hinaus.Gott ist da. Und der Mensch
betet ihn an.Diese Form des Gebets braucht keine Worte.Bestenfalls
Töne.Am Ende Einklang.So viel nur als Andeutung.5.
Die 5. Skulptur holt uns wieder auf den Boden zurück.„Amen“,
so lautet ihr Titel.Amen – wieso da drei Pflöcke,
3 Stelen?Ich denke mir das so:Das Amen rammt Pfosten
ein.Es beendet etwas.Es bekräftigt etwas.Und es
weiß, dass jetzt etwas weitergeht.Amen.Unser Gebet
braucht ein klares Ende.Es hat seine Zeit.Dann ist es
vorbei und etwas anderes ist dran.Beten und Tun des
Gerechten, so sagt es Bonhoeffer.Das Amen setzt einen
Punkt.Und bringt uns an den Punkt,an dem das Leben weitergeht.Das
Amen ist aber auch eine Bekräftigung, ein Ja. So
übersetzt Martin Luther das Amen.Ja, das ist gewisslich
wahr.Ja, das was ich gesagt habe,das was ich gespürt
habe,das was ich an innerer Öffnung, an göttlichem
Horizont und göttlicher Zuwendung erlebt habe,
das ist gewisslich wahr. Hebr. heißt Aman:
Ja, so ist das. Ich glaube es und stehe dazu.Und es
ist wahr und gewiss, dass Gott mich gehört und
angenommen hat.Es ist wahr und keine Illusion, dass
er um meine Dinge weiß und in allem mein Bestes
will.Das ist wahr und dazu bekenne ich mich.Die dritte
Säule drückt für mich aus, dass es jetzt
weitergeht. Punkt. Punkt.Punkt.Mein Leben geht weiter.Aber
auch Gottes Handeln mit mir geht weiter. Ich darf gespannt
sein, was nun geschieht.Gerade am Buß- und Bettag
ist klar:das heißt nicht, dass alles so weitergeht
wie vorher.Es ist wahr, dass Gott Neues mit mir vorhat.Wie
gesagt: Ich darf gespannt sein.Liebe Gemeinde,5 Skulpturen
haben wir gesehen,5 Skulpturen über das Gebet.Ich
will nicht behaupten, dass meine Gedanken dazu genau
das wiedergaben, was Thomas Werk mit seinen Werken ausdrücken
wollte oder was er in ihrem Entstehungsprozess erlebt
und vor Gott gebracht hat.Für mich ist entscheidend:Heute
ist Buß- u. Bettag.Und wir brauchen die Ermutigung
zum Beten.Dass der Künstler sie uns in so elementarer
Gestalt gegeben hat, dafür danke ich ihm.Und ich
danke denen, die sich in den letzten Wochen gemüht
haben, seine Zeichen zu entschlüsseln und sie als
das zu nehmen, was sie sein wollen:Fingerzeige von hier
nach dort.Am Deutlichsten vielleicht im Bild von der
Himmelsleiter im Begegnungsraum. Aber das ist ein anderes
Thema.Hören wir zum Abschluss noch einmal den Predigttext:„Sorgt
euch um nichts,sondern in allen Dingen lasst eure Bitten
im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“
Dekan Dr. Günter Breitenbach Würzburg Buß- u. Bettag 2009
| Predigt zum Ende der Ausstellung „Hier und dort“ von
Thomas Werk
Über Bilder sprechen, von Bildern sprechen
ist – sofern nicht wissenschaftlich legitimiert – immer
ein Wagnis. Besonders in Anwesenheit des Künstlers,
in Anwesenheit von Thomas Werk, den ich sehr herzlich
begrüße. Bevor ich dieses Wagnis nun eingehe,
möchte ich Sie mit einigen biografischen Angaben
vertraut machen. Thomas Werk wurde 1971 in Berlin geboren,
hat dort Kunst, Germanistik und Philosophie an
der Humboldt Universität studiert, sich mit literarischen
Werken, Gedichten und Prosatexten, mit Zeichnungen,
mit Natur- und Landschaftsstudien schon früh kreativ
zu Wort gemeldet und nachfolgend durch eine Reihe bemerkenswerter
Ausstellungen seinen künstlerischen Rang dokumentiert.
Es ist mir daher eine besondere Freude, mich mit Ihnen
am Beginn dieser neuen Ausstellung auf den Weg zu machen,
den Zeichen des Künstlers mit den Augen zu folgen
und sie in Worte zu übertragen. In Wort-Ergänzungen
den Eindrücken der Bilder Ausdruck zu verleihen,
die doch ihre eigene Sprache sprechen, eine Sprache,
die in Gesprochenes zu übersetzen selbst einem
Künstler wie Paul Klee Schwierigkeiten bereitet
hat. Ich zitiere aus seinem Vortrag, „Über
die moderne Kunst“: „Wenn ich in der Nähe meiner
Arbeiten, die eigentlich ihre selbständige Sprache
reden sollten, … das Wort ergreife, so wird mir zunächst
ein wenig bang, … ob ich es auch in der rechten Art
tun werde. Denn so sehr ich mich als Maler im Besitze
meiner Mittel fühle, andere dahin in Bewegung zu
setzen, wohin es mich selber treibt, mit derselben Sicherheit
durch das Wort solche Wege zu weisen, das fühle
ich mir nicht gegeben. Aber ich beruhige mich damit,
dass meine Rede nicht als solche isoliert sich an Sie
wendet, sondern dass sie nur ergänzend den von
meinen Bildern empfangenen Eindrücken das vielleicht
mangelnde bestimmte Gepräge zu geben hat.“
So bitte ich Sie also, meine Ausführungen in eben
diesem Sinne als vorweggenommene Ergänzungen Ihrer,
von den ausgestellten Bilder und Objekten in freier
Begegnung noch zu empfangenden Eindrücke, zu verstehen.
Eindrücke, die dadurch entstehen, dass das einzelne
Kunstwerk, solch „ein Gebilde von höherer Gliederung“,
wie Paul Klee es formuliert, mit einiger Phantasie zu
bekannten Gebilden der Natur in ein Vergleichsverhältnis
gesetzt wird. Erst aus diesem Vergleichsverhältnis
heraus erschließen sich sowohl assoziativ als
auch analytisch die Mitteilungen, die Aussagen der Kunstwerke.
Thomas Werk allerdings geht einen Schritt weiter. Er
begnügt sich nicht mit der reinen Präsentation
seiner Arbeiten, sondern er stellt sie unter ein Gesamtthema.
„Zeichen und Wege“ ist der Titel dieser Ausstellung,
ist der Titel einer Gesamtkomposition, sozusagen eines
Gesamtkunstwerks, das in den Themen der Bildunterschriften
sich entfaltet. Wobei Bild und Wort eng aufeinander
bezogen sind. Das Bild-Zeichen, das Bildwort korrespondiert
mit dem Wortzeichen, dem Begriff und führt den
Prozess des Sehens, des assoziativen Verstehens weiter
zu einem Begreifen, das sich der Sprache des abbildenden
Faktischen entzieht. Innere Bilder entstehen zu den
vom Künstler gewählten Themen, zu den Themen:
Vergänglichkeit, Liebe und Tod - zu Themen
aus der Bibel, aus dem Neuen Testament – zu Themen der
menschlichen Existenz in dieser Welt. Die Arbeiten tragen
Titel wie: „Wer bin ich, der oder jener? „Der Finsternis
undurchdringliche Masse“ – „Von guten Mächten wunderbar
geborgen“ – „Vom Sinn der Gleichnisse“ – „Jesus Christus“
– „Petrus“ –„Jakobus“ oder „Judas“ – „Kelch“ oder
„Gotteshaus“. Es sind Titel, die Erfahrungen erinnern,
die Vorstellungen, die religiöses Wissen, Gehörtes
und Gelesenes im zeitlichen Kontinuum der Sprache festhalten.
Doch diese Titel drängen sich nicht auf, im Gegenteil,
miniaturhaft klein ordnen sie sich ein in die Bilder,
ordnen sie sich unter, lenken den Blick auf die mehrdimensionale
Gleichzeitigkeit des Dargestellten. Sprache stößt
an, was das Kunstwerk sichtbar macht. Wechselseitig
durchdringen sich Wort und Bild. Als Mittel der Darstellung
verwendet der Künstler zum einen nur wenige Grundlinien.
Kohle und Tusche setzt er als Materialien ein, also
Werkstoffe der Schönschrift, Werkstoffe fernöstlicher
Kalligraphie, die Wort- und Bildzeichen auf das Engste
auf dem Papier miteinander verknüpft. Auch für
Thomas Werk besitzt das Material Papier eine eigene
Qualität. Das Papier, zunächst einmal Bildträger,
wird selbst zum Bildelement, indem es der Künstler
auf die Leinwand als Untergrund montiert. Ein Verfahren,
in dem sich Schauen und Lesen als Weisen der Bilderfassung
einander annähern. Als Beispiel, für seine
Art zu arbeiten, möchte ich Ihnen die Kohlezeichnung
mit dem Titel „ Jesus Christus“ vorstellen. Zu sehen
sind zwei Linien, die die zart getönte Bildfläche
überziehen. Die eine, eine leicht geknickte Senkrechte
wird umwunden von einer zweiten, einer ausholenden Schlangenlinie.
Im oberen Bildteil überschneidet dann die senkrechte
Linie eine Kreisform, deren unterer Teil sich im verflüchtigenden
Strich mit dem Bildgrund verbindet. Jesus Christus –
der Stamm des Kreuzes eine Senkrechte, die den
ungeschlossenen Kreis, den Kopf des Menschen Jesu durchbohrt.
Der an das Kreuz Genagelte, umwunden von der Spirale
der Gewalt. Jesus Christus, der den Tod am Kreuz
gestorben ist. Wenige Linien genügen, um in das
Zentrum des christlichen Glaubens vorzudringen. Frei
von erzählerischen und historisierenden Fixierungen
ereignet sich der Kreuzestod. Der lichte monochrome
Bildgrund erinnert an den enträumlichenden Goldgrund
mittelalterlicher Buchmalerei, Göttliches vergegenwärtigend.
Und die weit geschwungene, das Bildrechteck von oben
bis unten ausfüllende Spirallinie könnte auch
in ihrer Bewegtheit das Wehen eines Lendentuches assoziieren,
erinnern an die Kreuzigungsbilder eines Lucas Cranach,
der solchermaßen die Gegenwart des Heiligen Geistes
vor Augen führt. Von ganz anderer Art sind die
Werke, die die Namen der Jünger Jesu im Titel tragen.
Angeordnet in einer Reihe folgen die 12 ihrem Herrn.
Thomas Werk portraitiert jeden Einzelnen auf seine für
ihn typische Weise. Geformt aus geometrischen Grundformen,
aus Balken, Blöcken und Kreisen, aus mit kräftigem
Pinselstrich aufgetragenen Farbflächen in Rostrot
und Schwarz, scharf umrissen oder an den Rändern
ausfransend, Spritzspuren auf dem Bildgrund hinterlassend,
zeigen die Bilder, was die Gestalten erfüllt. Sie
erscheinen als Träger der Botschaft des Evangeliums,
von geballter Energie, doch in der Haltung von unterschiedlicher
Glaubensfestigkeit. In Petrus lodert rot das Feuer des
Evangeliums, hineinverwoben in die dunklen, schwarzen
Seiten seiner menschlichen Existenz und doch gehalten
durch den die Gestalt bekrönenden Halbkreis. Andreas,
der Ältere, ein fest ruhender Block, der
Kreis im Inneren ein Zeichen von Gelassenheit, ausgerüstet
mit dem Stab der Pilgerschaft, Verkünder der Botschaft,
die rechts oben wie ein Feuer aus der Gestalt drängt.
Jede Gestalt spricht für sich, öffnet sich
dem Betrachter, der Betrachterin im Kontext des je eigenen
biblischen Verständnisses. „Konfessionelle Inhalte“
nennt Thomas Werk die Themen seiner Bilder und Objekte.
Diese selbst zu ergründen, überlasse ich nun
Ihnen. Vielleicht werden sie zu ganz anderen Einsichten
gelangen als die von mir skizzierten. Werden die Dimensionen
der bildnerischen Elementarmittel wie Linien, geometrische
Formen, Farben und Materialien in anderer Weise als
Inhalte deuten und viel näher den Intentionen des
Künstlers kommen. Über Bilder zu sprechen
ist immer ein Wagnis, bleibt immer ein Wagnis. Ich habe
es mit Vergnügen getan, beeindruckt von der außerordentlichen
künstlerischen Aussagekraft der Bilder, Skulpturen
und großformatigen Kompositionen, von ihrem religiösem
Gehalt ebenso wie von der Spannung zwischen Zartheit
und Robustheit in den verwendeten Materialien und dem
auf das Wesentliche reduzierten Formenkanon.Ich danke
Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Monika Lengelsen Düsseldorf | 26.November | 2010 |
Rede zur Ausstellungseröffnung "Zeichen und
Wege"
Zwölf Apostel – Gesandte des Herrn
Zwölf Bilder, die den Namen der Apostel tragen.
Nichts erinnert an traditionelle Darstellungen der Apostelfürsten.
Und doch bringen sie Wesentliches der zwölf Erstberufenen
zum Ausdruck. Ein Zugang über Pinselstriche, Farben
und Formen. Ein Zugang zur eigenen Berufung?
Erster Eindruck
Zwölf Bilder sind zu einer Werkgruppe zusammengestellt.
Sie sind geprägt durch die meist mittige Darstellung
einer einzelnen Figur. Mit ein paar Pinselstrichen und
wenigen Farben hat Thomas Werk eindrucksvolle Formen
geschaffen, bei denen jede Figur anders gestaltet ist,
jede Figur individuelle Züge aufweist. Und doch
vereinen sie die gleichen Farben, die ähnlichen
Elemente, der Malstil und nicht zuletzt ihre singuläre
Darstellung auf dem neutralen Hintergrund.
Die vorliegende Präsentation in Blockform bietet
den Vorteil, die zwölf Einzelbilder mit einem Blick
zu erfassen und zugleich mühelos von einem Bild
zum anderen wandern zu können. Zugleich lassen
sich so die Inhalte besser miteinander vergleichen.
Angesichts der Zusammenschau muss allerdings vergegenwärtigt
werden, dass jede Arbeit respektable 60 x 80 cm (auf
Leinwand aufgezogen sogar 115 x 135 cm) misst. Normalerweise
begegnet der Betrachter den zwölf Bildern in einer
raumfüllenden Präsentation, bei denen die
Arbeiten auf Augenhöhe gezeigt und nebeneinander
geschaut werden.
Annäherung
Alle Figuren bestehen im Wesentlichen aus einem länglichen
Körper und einem Kreisrund. Damit weisen sie Ähnlichkeiten
mit Menschen auf, sind ihnen aber durch das Fehlen von
weiteren Merkmalen genauso fremd. Dies lässt sich
gut am Kreisrund beobachten. Durch seine Positionierung
im oberen Bereich der Figuren kann er als Kopf gesehen
und interpretiert werden, obwohl keine Gesichtsmerkmale
wie Augen, Nase, Mund und Ohren zu sehen sind.
Aber genauso geht es einem mit den Körpern. Sie
haben die längliche Form von Menschen, aber Außenform
wie Innenleben erzählen eine ganz andere Geschichte
als die einer Haltung oder einer Bekleidung. Hinzu kommt
das ungewohnte Wechselspiel der Farben Dunkelbraun und
Schwarz mit Dunkelrot, Sienagelb und Grau.
Irritiert sucht das Auge nach bekannten Elementen. Doch
mehr als vereinzelte Armformen und kürzere oder
längere Geraden können nicht entdeckt werden.
Verzweiflung mag sich vielleicht breit machen angesichts
der verwendeten Bildsprache, Hilflosigkeit gegenüber
diesen Darstellungen, die der Künstler offensichtlich
mit den zwölf von Jesus auserwählten Aposteln
verbindet.
Der Künstler Thomas Werk
Thomas Werk ist einer jener Künstler, deren Arbeiten
aus seinem christlichen Glauben heraus entstehen und
dadurch auch meistens in einem Zusammenhang mit dem
christlichen Glauben stehen. Seine Malsprache konzentriert
sich auf wenige Pinselstriche und Farben, seine Motive
auf symbolische Zeichen und malerische Gesten wie Farbspritzer.
Der Farbauftrag lässt seinen virtuosen Umgang mit
Pinsel und Farbemenge nachvollziehen. In den Farbspuren
atmet noch die konzentrierte Spontaneität, mit
der er seine Motive zu Papier bringt und mit Leben erfüllt.
Thomas Werk schöpft dabei die ganze Einsatzpalette
seines Werkzeugs aus, wenn er seinen Farbauftrag von
deckenden Strukturen bis zu auslaufenden Farbspuren
nuanciert, wenn er die Konturen mal undeutlich auslaufend,
mal scharf begrenzend zieht. Seine Arbeiten leben auch
von der Transparenz, mit welcher der zeitlose Hintergrund
die Farbzwischenräume so durchdringt, dass er als
lichter Schein oder sogar als Glanz den Farbauftrag
überhöht. So schafft Thomas Werk mit wenigen
Mitteln ein äußerst spannungsvolles Geschehen,
das zu immer wieder neuem Schauen einlädt.
Doch die reduzierte Ausdrucksweise mag auch für
viele ungewohnt sein und zur Erschießung eine
ungewöhnliche Anstrengung abverlangen. Dabei ist
ein genaues Betrachten der Farben und ihrer Spuren genauso
notwendig wie das Befragen ihrer möglichen Symbolik
und Bedeutung. Nicht unwesentlich für die Erschließung
seiner Arbeiten ist, dass Thomas Werk durchwegs auf
beigem, grau gefasertem Naturpapier arbeitet, das er
später auf eine ähnlich farbige Leinwand aufzieht.
Dieser neutrale Hintergrund bildet bei ihm eine Konstante
und bleibt meistens unbemalt, so dass uns seine Motive
stets in einem zeitlosen Umfeld begegnen. Die durch
den Farbauftrag materiell und farblich hervorgehobenen
Pinselstriche werden dadurch wie Schriftzeichen wahrgenommen.
Kopfsymbol
Das markanteste Zeichen im Oeuvre von Thomas Werk ist
wohl der Kreisring. Durch Analogie wird eine Verbindung
zur ovalen Form des menschlichen Kopfes geschaffen.
Mit dem Kreis hat der Künstler die dargestellten
Menschen und erst recht die Apostel in einen direkten
Bezug zu Gott gestellt. Denn der Kreis ist von alters
her das Symbol für das Unendliche, Ewige, in seiner
perfekten Rundung auch für die Vollkommenheit.
Der Kreis wird auch als Sinnbild der sich immer erneuernden
Schöpfung gesehen, ist er doch nicht etwas unbeweglich
in sich Ruhendes, sondern dynamisches Kreisen um eine
Mitte, voll lebendiger und lebenszeugender Bewegung
(vgl. Forstner/ Becker 1991, 191). Der Kreis steht somit
primär für den vollkommenen und ewigen Gott,
der selbst das Leben ist und lebenszeugend im Tages-
und Jahreszyklus tätig ist. Doch wie der Kreisring
eine freie Mitte umgibt, steht er aus religiöser
Sicht auch für den Mensch in seiner Ganzheit, d.h.
in seiner untrennbaren Einheit mit Gott. Umschließt
nicht der mit Farbe gemalte Kreis mit seiner Materie
eine immaterielle Mitte? Ist der Kreis damit nicht auch
ein wunderbares Symbol für den Menschen, in dessen
Mitte der unsichtbare Gott wohnt? Zum einen durch das
Leben, das Gott im Schöpfungsakt in den Menschen
eingesenkt hat, zum anderen auch durch gegenseitige
Bejahung in der Taufe. Auf die Apostel bezogen wirkt
diese Symbolik umso stärker, als sie von Gottes
Sohn persönlich Angesprochene und Unterwiesene
sind. Dadurch haben sie Gott wie kaum jemand anders
kennengelernt. So gesehen könnte das minimalistische
Zeichen des Kreisringes bereits für die Darstellung
der Apostel genügen. In der Art und Weise wie Thomas
Werk die Kreise mit einem perfekten Pinselstrich gezogen
hat und sie durch Farbe und Farbauftrag ebenso wie durch
eine teils andersfarbige Doppelung (Petrus, Johannes,
Bartholomäus) oder einen weißen Bereich im
Kreis (Petrus, Jakobus d. A.) variiert, besitzen sie
genug Individualität, um die Unterschiedlichkeit
der Apostel anzudeuten. Wenn diese Annahme stimmt, werden
hauptsächlich die gestalteten „Körper“ und
die Positionierung der „Köpfe“ etwas über
ihre Persönlichkeiten bzw. ihr Glaubensleben aussagen.
Farbsymbolik
In der vertieften Auseinandersetzung mit den im Körperbereich
verwendeten Symbolen treten am Augenfälligsten
die beiden Farben Braun und Dunkelrot in Erscheinung
und miteinander in Dialog. Braun ist die Farbe des Erdbodens.
Durch den Schöpfungsakt (Gen 2,7) wird sie auch
die Farbe des Menschen. Im Gegensatz zum unendlichen
Kreisring ist die Farbe Braun von irdischer Endlichkeit
und Vergänglichkeit gezeichnet. Ebenso kann die
Fruchtbarkeit der dunkelbraunen Erde auf uns Menschen
übertragen werden. Jesus brachte dies im Gleichnis
von den Talenten und Begabungen auf den Punkt (Mt 25,14-30).
Die in ganz unterschiedlicher Dichte auftretende braunrote
Farbe lässt sich mit ganz verschiedenen Erfahrungen
verbinden. Sie kann ebenso für tiefrotes Blut stehen
wie für die mehr oder weniger starken Gefühle,
die in diesen Männern für Jesus und seine
Botschaft „brennen“. Vor allem Petrus und Thomas fallen
durch große rote Bereiche auf. Ein Blick in die
Bibel lässt die beiden Männer als temperamentvolle
Menschen wahrnehmen, die zwischen tiefem Glauben an
Jesus und nagenden Zweifeln hin- und hergerissen wurden
(Petrus: Glaubensbekenntnis Mt 16,16-23; Verleugnung
Mk 14,66-71 / Johannes: Engagement für Jesus Joh
11,16; Zweifel Joh 20,19-29). Die von Thomas Werk verwendete
Farbe Falunrot ist zudem ein erdiges Rot, ein geerdetes
Rot. Sie bezeugt Erdverbundenheit, Bodenständigkeit
der Apostel. Was sie bewegt, was sie verkünden,
ist nicht abgehoben, sondern steht in direktem Bezug
zur Realität.
Petrus
Stellvertretend für alle Apostel sollen im Folgenden
das erste und das letzte Bild dieser Werkreihe ausführlicher
besprochen werden. Neben der genauen Betrachtung des
Dargestellten sind die Aussagen in der Bibel und den
Heiligenlegenden beim „Entziffern“ der Bilder hilfreich.
Die Darstellung des Petrus fällt durch seinen symmetrischen
Aufbau auf. Unter dem mittigen Kreisring stehen sich
die ähnlich formulierten Körperhälften
durch eine unterschiedliche Farbgebung gegenüber.
Sie wecken den Eindruck, miteinander zu ringen
und könnten durchaus als „die zwei Seelen in der
Brust“ des Petrus gedeutet werden, die miteinander kämpfen.
Auf der dunklen Seite der schwache, ängstliche,
verleugnende Petrus, auf der hellen roten Seite der
Petrus, der von Gottes Geist erfüllt Jesus als
Gottes Sohn bezeugen konnte und von diesem mit großer
Verantwortung betraut wurde.
In Anlehnung an Jesu Zusage in Mt 16,19 kann die Figuration
zudem als Schlüssel gesehen werden. Der kreisrunde
Kopf wird dann als Griff, der symmetrisch gestaltete
Körper als Schlüsselbart gelesen. Das Weiß
im „Kopfring“ lässt diesen auch als Rettungsring
wahrnehmen, was wiederum Assoziationen zum Gang über
das Wasser (Mt 14,22-33) wecken kann, bei dem er von
Jesus gerettet wurde. Für den Künstler
ist die weiße Stelle jedoch vor allem eine Referenz
an den Himmel, an die Verklärung Jesu (Mt 17,1-8),
bei der Petrus mit Jakobus und Johannes dabei war.
Die Position des Kopfes ist bei Petrus teilweise hinter
dem Oberkörper eingesunken oder versteckt. Ob damit
auf die Verleugnung Jesu (Mt 14,66-72) hingewiesen werden
möchte? Wer leugnet, versucht sich doch zu verstecken!
Andererseits wirken die seitlichen Farbspritzer bei
Petrus (und Thomas) auffallend. Beim äußerst
differenzierten Farbauftrag von Thomas Werk können
die Farbspritzer als Symbole für die Auferstehung
verstanden werden. Denn der Farbauftrag erfolgt anders
als beim kontrollierten Pinselstrich durch Spritzen
aus der Luft, losgelöst von jedem Kontakt mit dem
Papier oder dem Boden. So vermögen diese spontan
und zufällig entstandenen, andersartigen Farbspuren
die gewaltige Kraft Gottes anzudeuten, die Jesu Tod
in ewiges Leben verwandeln mochte. Petrus gehörte
nach Joh 20,1-10 zu den ersten Zeugen der Auferstehung
Jesu von den Toten.
Judas Iskariot
Thomas Werk gibt den letzten Platz Judas Iskariot. Das
mag erstaunen, denn bei Einzeldarstellungen der Apostel
in Buchdrucken oder Chorgestühlen wird er nach
der Erzählung in Apg 1,15-26 traditionell durch
Matthias ersetzt. Der Künstler orientiert sich
also an den Aposteln, die Jesus erwählt hat (Mt
10,1-4). Die Darstellung von Judas ist karg und farblos.
Die rote Farbe findet sich nur in den drei Kreiszeichen,
welche die 30 Silberlinge (Mt 26,15) versinnbildlichen.
Die Gestalt des Judas erhebt sich wie ein Monolith,
der im Fall begriffen ist. Der schwarze Oberkörper
ist im oberen Teil gespalten, was als Referenz am das
in Apg 1,18 beschriebene Auseinanderbersten seines Körpers
gelesen werden kann. Andererseits sieht es aus, als
hätte er die Hände erhoben bzw. vor Verzweiflung
über seine Tat über dem Kopf zusammen geschlagen.
Die noch weiter als bei Petrus eingesunkene Kopfform
vermag also seine Reue anzudeuten, die aber die Hohenpriester
und die Ältesten nicht mehr zur Umkehr bewegen
vermochte. Die schwebenden Kreisformen erinnern, wie
er die Silberlinge von sich warf, seine lange, gestreckte
Form, dass er sich erhängt hatte. Die braune, rechteckige
Basis seines Körpers kann wiederum als Verweis
auf den Töpferacker verstanden werden, den die
Hohenpriester mit diesem Geld erkauft hatten (Mt 27,3-10).
Seine Handlung gibt uns heute noch Fragen auf. Jemand
hat ihn deshalb zum Patron der Überforderten ernannt
(Die Presse, 26.2.2011).
Anstöße zur Selbstreflexion
Zwölf Menschenbilder, die unterschiedlicher nicht
sein könnten. Zwölf Bilder von Menschen, welche
von Jesus berufen worden sind, die Botschaft vom Reich
Gottes zu den Menschen zu tragen. Zwölf Portraits,
wie diese Männer ihre Berufung als Glaubenszeugen
ganz unterschiedlich gelebt haben. In ihnen kommen Berufung
und Auftrag durch IHN zur Sprache. In ihren Darstellungen
werden aber auch ihre menschlichen Stärken und
Schwächen, ihre Begeisterung und Zweifel, ihre
Glaubenswege und -tode deutlich. Damit können sie
Spiegelbilder und Anstoß zur Reflexion über
meine Gottesbeziehung und meinen Auftrag in seiner Kirche
sein. In welchem Apostel-Portrait finde ich mich mit
meinen Erfahrungen und meiner Lebenssituation am ehesten
wieder? Was spricht mich in den Darstellungen
besonders an? Was wecken sie für Gefühle?
Was brennt in mir und motiviert mich so stark, dass
ich durch alle dunklen, bewegten, vielleicht auch widerständigen
Zeiten hindurch zu Ihm stehe und sein Wort verkünde?
Die Aposteldarstellungen sind in einer modernen Bildsprache.
Dadurch suggerieren sie eine Aktualität der Personen,
stellen aber auch Verständnisfragen. Für viele
Zeitgenossen ist auch die biblische Botschaft oft unverständlich,
da ungehört oder gar unerhört. Die Bilder
verdeutlichen durch die Kunst, wie sehr die biblische
Botschaft Interpreten braucht. Menschen, die sich intensiv
mit dem Wort Gottes auseinandergesetzt haben und durch
dieses Leben mit ihm geprägt Zeugen Seiner lebendigen
Gegenwart werden, weil sie Sein Wort mutig und furchtlos
in die jeweilige Zeit und Situation hineinsprechen und
-übersetzen.
Patrik Scherrer
Katechetische Blaetter | Heft 1 | 2013 |
S.48 -53 | Kösel Verlag München
Stern von Bethlehem
Erwartungen In Kenntnis des Titels ist der Betrachter
in seinen Erwartungen wahrscheinlich zuerst irritiert.
Einen Stern sieht der Künstler in dieser Arbeit?
Mit Sternen verbinden wir normalerweise Leichtigkeit,
Leuchtkraft und Strahlen. Von all dem ist hier wenig
zu erkennen. Diese Sternskulptur schwebt nicht, leuchtet
nicht im Ganzen und die vorspringenden Vierkantblöcke
entsprechen überhaupt nicht unseren Vorstellungen
von Strahlen. Die Skulptur enttäuscht unsere Erwartungen
und stellt vielmehr Fragen: Wie kann diese Arbeit einen
Stern darstellen, erst recht den Stern von Bethlehem,
der die drei Weisen zum Geburtsort von Jesus Christus
geführt haben soll? Die Stahlkonstruktion gibt
sich nicht nur von ihrem Material her schwer, sondern
auch von ihrem Inhalt. Aber vielleicht ist gerade das
ein Zugang: Es könnte sein, dass der Künstler
eine Skulptur schaffen wollte, bei der durch das Gewicht
wie durch den komplexen Inhalt die große - schwere
- Bedeutung dieses außerordentlichen Sterns zum
Ausdruck kommt. Vielleicht ist es des Künstlers
Absicht, dem Betrachter den Zugang nicht zu einfach
zu machen. Vor gut zweitausend Jahren haben auch nur
die drei Weisen die Botschaft des Sterns zu deuten vermocht
und sind ihm gefolgt. Die Erwartungen im Volk Israel
sahen ganz anders aus. In diesem Punkt wird unsere Skulptur
dem Stern von Bethlehem ähnlich. Sie ist ebenso
wie das Zeichen am Himmel schwer verständlich und
erwartet eine Deutung. Göttliche Fülle
Mit der Plastik wird in radikal einfacher, geometrischer
Form versucht, dem Geheimnis von Weihnachten Ausdruck
zu verleihen. Es geht um die Menschwerdung Gottes, um
die einmalige Vereinigung von Gott und Mensch in Jesus
Christus. In ihm berühren sich Himmel und Erde,
das Unendliche mit dem Endlichen. Der von allen Seiten
durchdrungene Kreis fällt auf. Er verbindet, hält
zusammen, bündelt. Geballte Kraft ist in ihm zu
spüren. In seiner Geschlossenheit ohne Anfang und
Ende ist er ein Symbol für Gott. In der sonst leeren
Mitte kreuzen oder vielmehr durchdringen sich drei Vierkanteisen.
Geradezu mit Gewalt scheinen sie den Kreis zu queren
und seine Mitte zu füllen und zu definieren. Technisch
ist die dreifache Verdichtung des Zentrums durch die
vom Breitkantigen über das Quadratische zum Hochkantigen
gehende Veränderung der Balken entstanden. Symbolisch
gesehen bilden die beiden Stehenden ein X und verweisen
auf den ersten Buchstaben des griechischen Hoheitstitels
von Jesus: "Christos" - "Gesalbter"
(hebräisch "Messias") . Der horizontale
Balken erinnert in seiner massigen Art an das Kreuz
und somit an den Tod von Jesus. Die Strahlen ergeben
sich insofern erst nach der Durchdringung dieses Kreiselements,
nach dem erduldeten Leid. Sie künden zum einen
eine Herrlichkeit, welche von Gott her bedingt ist,
zum anderen die Erniedrigung und Begrenzung durch menschliche
Gewalt. Erwartende Leere Der Sockel, auf
dem der wuchtige Stern ruht, gleicht in der Gesamtform
einem einfachen Haus. Eine feste, durchgehende Basis,
kurze Seitenwände, die sich schon bald zu einer
Dachform neigen, umschreiben einen fast dreieckigen
Freiraum. Offenheit strahlt dieses Haus aus, gleichzeitig
Geborgenheit. Alles scheint für die Ankunft vorbereitet:
in der Waagrechten die Krippe, in den sich zuneigenden
Balken, die sich in der Mitte des Kreises treffen, symbolisch
Maria und Josef, die sich erwartend einander zuneigen.
Auf dieses Haus hat sich Gott sichtbar in Sternform
niedergelassen, um zusammen mit Maria und Josef der
noch unsichtbaren Wirklichkeit in ihrer Mitte einen
geschützten Raum zu geben, denn sie erwarten in
dieser Nacht die Geburt des göttlichen Lichts.
Dieser Stern über Bethlehem hält sich mit
seinem Licht zurück. Aber spiegelt sich in ihm
nicht schon das Licht einer anderen Lichtquelle, welche
bereits die Nacht erleuchtet? Erfüllung
Nach den bisherigen Betrachtungen bringt die Stahlplastik
von Thomas Werk mehr zur Sprache als erwartet wurde.
Die einfachen Elemente lassen Altbekanntes in neuen
Zusammenhängen sehen. Ganz im Materiellen verwurzelt,
bringen sie das Metaphysische zum Ausdruck, das Unsichtbare
und doch Wesentliche, welches jene Heilige Nacht charakterisiert.
Dennoch wären die bisherigen Erkenntnisse unvollständig,
wenn sie den Stern nur aus der Sicht des Arbeitstitels
ergründen würden. Denn die ganze Plastik kann
auch als stehende Gestalt gesehen werden, bei der die
Enden des horizontalen Balkens ihre ausgebreiteten Arme
bilden. Die starke Vereinfachung lässt wahrscheinlich
mehr als die beiden hier erwähnten Betrachtungsweisen
zu. Durch die massive, kantige Bauweise erscheint das
Gebilde einerseits breitbeinig und sperrig wie ein Widerstandskämpfer
mit einem stark bewehrten Bauchbereich. Andererseits
können die beiden Senkrechten auch als zwei Gestalten
gesehen werden, die sich, nach hinten geneigt, in der
Mitte umarmen und halten, mit den "Köpfen"
über dem Kreis einander anschauend. Der waagrechte
Balken wird bei dieser Sichtweise zu einer Last, der
die beiden in ihrem gemeinsamen Lebensbereich durchdringt.
Miteinander vermögen sie sein Gewicht zu stemmen
und auszuhalten, unterstützt durch die im Kreis
angedeutete Kraft. Damit könnte dieser Stern
darauf hinweisen, dass der Stern von Bethlehem auch
Stern über meinem Haus, über unserem Leben
ist. Sein Dasein würde dann nicht nur die Ankunft
des göttlichen Kindes verkünden, sondern die
beschützende und stärkende Gegenwart Gottes
- von der Wiege über die Hochzeiten des Lebens
bis zur Bahre ? immer in der Mitte des Lebens. Überall
dort, wohin in der Begegnung der Liebe die Fülle
des Lebens getragen wird.
Dieser Bild-Impuls wurde in der Ausgabe 4/2007 der
Zeitschrift "das
münster", Zeitschrift für christliche
Kunst und Kunstwissenschaft erstveröffentlicht.
Patrik Scherrer; Stern von Bethlehem;
5.01.2008
Drei geometrische Formen sind in rotbrauner (blutroter)
Farbe auf das Blatt gemalt worden. Alle drei Formen
haben in etwa die gleiche Größe und scheinen
mit dem gleichen breiten Pinsel in je einem Arbeitsgang
sorgfältig aufgetragen zu sein. Zuerst das Viereck
oder Quadrat, dann das gleichschenklige Dreieck, zuletzt
- und dadurch für den Betrachter zuvorderst - der
Kreis. Zusammen ergeben sie eine neue Formierung, erhalten
sie eine zusätzliche Ausdruckskraft. Jede der drei
Formen besitzt mit der umschlossenen Innenfläche
ein ausgeprägtes eigenes Zentrum. Dieses bildet
gleichzeitig einen tragfähigen Sitz für einen
Teil der anderen Form, seien es die unteren Ecken des
Dreiecks, die durch die Zentren des Quadrates und des
Kreises gehalten werden, sei es der Zwischenraum derselben
im Dreieck. Während Quadrat und Kreis partnerschaftlich
nebeneinander angeordnet sind, ist das Dreieck als Zwischenform
von links nach rechts wie von hinten nach vorne verbindend
in sie eingeordnet. Jede der drei Formen ist eine
geometrische Grundform. Einfacher geht es nicht. Sie
lassen sich nicht noch mehr reduzieren. Unverwechselbare
Gestalt. Symbolhaft. Eigenständig. Und doch sind
sie zueinander und miteinander in Beziehung. Um Gemeinschaft
zu werden, lassen sie nicht nur Nähe zu, sondern
auch Überlagerungen und gestaltete Einheit. Können
so einfache geometrische Formen auf Gott hinweisen?
Vermögen sie symbolisch von einem Gegenüber
zu sprechen, das sich uns in dreigestaltiger Wesensart
offenbart und uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist
vermittelt worden ist? Können die abstrakten Grundformen
den drei Vorstellungen von Gott zugeordnet werden?
Dadurch, dass Quadrat und Kreis partnerschaftlich nebeneinander
stehen, können sie als Symbole für den Vater
und den Sohn gedeutet werden. Das verbindende Dreieck
weist auf den Heiligen Geist hin, der dem Glaubensbekenntnis
nach aus dem Vater und dem Sohn hervorgegangen ist.
Ob nun Kreis oder Quadrat den Vater bzw. den Sohn symbolisieren,
hängt von der Lesart ab: Zum einen könnte
der Kreis den Sohn darstellen, weil er uns am nächsten
dargestellt ist. Durch ihn haben wir im Heiligen Geist
Zugang zum Vater, der die Welt erschaffen hat und deshalb
mit einem Quadrat versinnbildlicht werden kann, denn
die vier Seiten entsprechen den vier Himmelsrichtungen
und weisen auf das Weltall hin. Es könnte aber
genauso gut umgekehrt sein. Der Kreis könnte, weil
er keinen Anfang und kein Ende hat, für den Vater
stehen, der von Ewigkeit her lebt und mit dem Sohn und
dem Heiligen Geist zusammen Leben schafft. Das Quadrat
wäre dann Symbol für den Sohn, weil dieser
in Jesus Christus irdisch geworden ist: ein Mensch dieser
Welt. Alles sind Versuche, die Unbegreiflichkeit Gottes
durch Symbole in unsere Vorstellungskraft zu holen.
Erstaunlich, wie gut die abstrakten Formen den an sich
genauso abstrakten Gottesbegriff zum Leben bringen.
Doch können die Formen auch irdisch-menschlich
gelesen werden? Die meisten von uns verbinden doch den
Kreis, die runde Form, gefühlsmäßig
mit der Frau, während das Viereck eher dem Mann
zugeteilt wird. Und, Mann und Frau stehen doch im Idealfall
wie Quadrat und Kreis gleichberechtigt nebeneinander
und zueinander! Könnte dann nicht, erhöht
und die beiden "Irdischen" von Mitte zu Mitte
verbindend, das Dreieck als Symbol für die göttliche
Dreifaltigkeit gelesen werden, als transzendente, verbindende
Ebene, aus der Liebe strömt: zueinander wie über
die Zweiergemeinschaft hinaus - zu Gott oder dem Nächsten?
Patrik Scherrer bildimpuls;
Dreieinigkeit; 9.6.2007
Ohne Hilfestellung kämen wir wahrscheinlich
nicht auf den Gedanken, in dieser linearen Gestalt den
barmherzigen Samariter zu sehen. Denn die Umrisse lassen
auch andere Assoziationen wie an einen Fuß oder
an einen Kopf zu. Das die Arbeit prägende braunschwarze
Band scheint mit einer breiten Feder auf das Blatt aufgetragen:
Ansätze sind erkennbar und die auslaufenden Farbschattierungen
vermitteln den Eindruck, dass die Striche in einem Zug
gemacht worden sind. Mit dem Band ist das Wichtigste
ins Bild gebracht. Auf einer relativ schmalen Basis
baut sich ein baumartiges Gebilde auf, das sich in der
Mitte verdoppelt und in vielen Rundungen ausformt. An
drei Stellen gehen je drei kurze Bänder strahlenartig
von der Grundform weg. Ist nun eine Person dargestellt
oder sind es gar zwei Personen? Die beiden hufeisenförmigen
Bögen oben links lassen an die Köpfe von zwei
Personen denken. Die beiden Kreisformen in der Bildmitte
dürfen wohl als Hände gesehen werden, wodurch
wir zusammen mit den angedeuteten Beinen eine aufrechte,
nach links schreitende Person zu erkennen vermögen,
die eine weitere Person im Huckepack auf dem Rücken
trägt. In der Bibel heißt es, dass der
Mann aus Samarien Mitleid mit dem von den Räubern
zusammengeschlagenen Mann hatte. In seiner Barmherzigkeit
hat er sein Reittier angehalten, ist abgestiegen und
hat er sich zum Verletzten niedergebeugt, um seine Wunden
mit Öl und Wein zu pflegen und dann zu verbinden.
Danach hob er ihn auf sein Reittier und brachte ihn
in eine Herberge, damit dort für ihn gesorgt werde
(Lk 10,30-35). Im Gegensatz dazu ist hier der Samariter
selbst als Träger des Verletzten dargestellt. Zeigt
er sich durch seine Barmherzigkeit nicht für den
anderen verantwortlich und belastet er sich dadurch
nicht genauso wie sein Reittier? Und es scheint, dass
er sich mit drei weiteren Personen beladen hat, die
seiner tragenden Hilfe bedürfen. Überraschenderweise
ist in der dargestellten Gestalt auch der gute Hirte
erkennbar, der immer wieder den verlorenen Schafen nachgeht
und diese, wenn sie müde oder verletzt sind, auf
seinen Schultern nach Hause trägt (Lk 15,5). Deckungsgleich
sind beide von der Grundhaltung des Sympathie, des Mitleidens
(von griech. syn, pathein = mitleiden) geprägt.
Was die Bibel als exemplarische Einzelfälle wiedergibt,
ereignet sich immer wieder und bildet einen festen Bestandteil
ihres Lebens. Nicht umsonst hat Jesus das Gleichnis
vom barmherzigen Samariter als Vorbild für den
Gesetzeslehrer genommen, damit dieser (und auch wir)
genauso handle (Lk 10,36-37). Weiter oben wurde
gesagt, dass mit dem Band das Wesentliche ins Bild gebracht
worden sei. Bildhaft bringt es zum Ausdruck, dass die
Barmherzigkeit - das erbarmende, mitleidende Herz -
die verbindende Kraft ist, die über alle erdenklichen
Grenzen hinweg Menschen zu neuer Verbundenheit zusammenführt.
Patrik Scherrer bildimpuls;
Der barmherzige Samariter; 15.7.2006
Schwarze, breite, gerade Pinselstriche prägen
diese Zeichnung. Zwischen ihnen sind - wie am
Boden liegend - zwei Kreise angeordnet, gefüllt
mit grauer Farbe und drei rötlich anmutenden Parallelen.
Sie sind wie die zwei durch feinere Striche gebildeten
Kreuzformen über ihnen strahlenförmig von
grauen und roten Strichen umgeben. Inmitten der statisch
anmutenden "Balken"-Konstruktion kann deshalb
an diesen beiden Orten eine Aktion herausgelesen werden.
Hier geschieht etwas, geht etwas von innen nach außen.
Ob wir ohne die Angaben des Künstlers darauf gekommen
wären, dass es sich hier um zwei Betende handelt?
Die dicken geraden Pinselstriche lassen Kreuze sehen,
vielleicht auch ein Haus, aber menschliche Gestalten?
Auf der Suche nach den Menschen können die beiden
Kreisformen noch am ehesten mit Köpfen in Zusammenhang
gebracht werden. Deuten die drei Striche Augen und Nase
an? Allerdings sind sie nicht oben am Körper angeordnet,
sondern unten. Gewohnte Perspektiven werden hier durcheinander
gebracht - neue Ansichten werden eingefordert! Die beiden
Gestalten könnten am Boden liegen, in den Staub
der Erde gebeugt sein, wie sie der Psalmist beschreibt:
"Meine Seele klebt am Boden. Durch dein Wort belebe
mich!" (Ps 119,25). Die durch Kreuze geformten
und gleichzeitig deformierten Körper lassen das
Leid spüren, das sie niederdrückt, fesselt
und bis zur Unkenntlichkeit entfremdet. Hoffnungslos
wäre diese Situation ohne die gekreuzten Hände.
Ganz oben hat sie der Künstler platziert, dem Himmel
zugewandt: Als Ausdruck der inneren Sammlung, der Sehnsucht
des Herzens und der Bewegung des Geistes. In der Mitte
bzw. aus der Mitte heraus brechen die Hände die
belastende Situation auf, schaffen sie Freiraum. Dem
Gebet wohnt Sprengkraft inne, wie die "Strahlen"
um die "Hände" herum gedeutet werden
könnten. Der Psalmist muss die Kraft des Gebetes
erfahren haben, wenn er nach der ersten Bitte fortfährt:
"Ich habe dir mein Geschick erzählt, und du
erhörtest mich." (Ps 119,26). Die Verdoppelung
der Betenden scheint das Gebet zu verstärken. Die
Zeichnung lässt offen, ob sich beide Personen in
der gleichen Notlage befinden oder ob sich einer barmherzig
einem Notleidenden zugewendet hat. Der Kopf der rechten
Gestalt deutet jedoch auf das zweite hin. Er ist frei
von umgebenden Balken und hat eine starke Zeichnung,
während der Kopf der linken Gestalt schwächer
gezeichnet ist und von Balken umgeben eingesperrter
und Leidender erscheint. Doch durch die Solidarität
des einen ist eine Leidens- und Gebetsgemeinschaft entstanden,
in der der Bedürftige einen zweifachen Beistand
erhält: einerseits im Mitmenschen und andererseits
durch das Gebet auch in Gott. Insofern spiegelt sich
das Wort von Jesus in diesem Bild wieder: "Alles,
was sich zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten,
werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn
wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da
bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,19-20) Das
tröstet und schenkt Zuversicht. Patrik
Scherrer bildimpuls; 2 Betende; 17.6.2006
In dieser vereinfachenden, oder besser gesagt, hochkonzentrierten
Bildsprache sind christliche Inhalte von mythischen
Vorstellungen befreit, die in längst vergangener
Zeit selbst-verständlich waren, aber heute, da
viele die Bibel als Tatsachenbericht verstehen wollen
(oder sogar sollen), auf größte Verstehensschwierigkeiten
stoßen. Ebenso befreiend wirkt die Abkehr von
einer Vermenschlichung, die den Weg zu einer transzendenten
Wirklichkeit blockieren kann und immer mehr oder weniger
ein kindlicher Glaube bleibt. Wer sich mit diesen Chiffren
beschäftigt, die ich als Wegweiser zum eigenen
Erkunden empfinde, kann eine Spur finden zu einem "erwachsen
gewordenen" Glauben, der an die Substanz führt,
an das Wesentliche, aber ungestaltet läßt,
was sich unserer Darstellungsmöglichkeit entzieht.
Gerade diese Zurückhaltung empfinde ich als weiterführend...
Dr. Irmtraud Kulzer Würzburg,
6.1.2008
Wer zum ersten Mal vor Arbeiten von Thomas Werk steht,
kann etwas ratlos sein, muss sich vielleicht erst zurechtfinden.
Er sieht Bilder in großer Einfachheit und Schlichtheit
- manche bestehen nur aus ein paar Pinselstrichen in
schwarzer Tusche, sie sind ohne Hintergrund, ohne Beiwerk,
nur manche von einem bunten Liniengespinst überzogen.
Auf vielen Bildern sehen wir Kreise, unterschiedlich
groß, entweder geschlossen oder deutlich mit Anfang
und Ende gezeichnet. Immer umschließen sie einen
inneren Raum - die Fülle des Lebens. Manchmal stehen
sie als Kreisfläche allein, häufig in Verbindung
mit einem meist dunklen Balken, der diese Kombination
als menschliche Gestalt ausweist, aber ohne jeden individuellen
Hinweis, ob Frau oder Mann, ob alt oder jung, schön
oder nicht schön, intelligent oder nicht, arm oder
reich wirkend, wie gekleidet? Und trotzdem ist erstaunlich,
wie der Künstler diese beiden Elemente allein durch
ihre Zuordnung ganz differenzierte Gefühle ausstrahlen
lassen kann: Zuwendung; Freude; Schmerz und Trauer,
Hoffnung und Verzweiflung.
Er folgt damit dem Ruf des Meister Eckhard "Mensch,
werde wesentlich", wenn er die Dinge und Inhalte,
die er darstellt, gedanklich so reduziert und vereinfacht,
dass er nur die Essenz, das eigentlich Wesentliche zeichnet.
Darin liegt aber auch eine große Redlichkeit und
respektvolle Haltung von Distanz, die sich deutlich
bei seinem Herantasten an die Gestalt des Jesus von
Nazareth und vor allem an Gott in seiner Dreiwesenheit
zeigt. Diese Kunst der Reduzierung in der individuellen
Bildsprache durchzieht alle seine Arbeiten. Sie macht
es möglich, den durch Zeichen gedeuteten Raum über
das diesseitig Erkennbare hinaus auszuweiten in transzendente
Tiefen...
Unaufdringlich und undogmatisch, führt Thomas
Werk mit seinen Mitteln - ein paar Tuschestrichen auf
Papier - heutige Menschen an das Wesentliche der christlichen
Botschaft heran. Er macht Altbekanntes neu bekannt mit
zeitgenössischen Sichtweisen und Ausdrucksmitteln.
Jede seiner Arbeiten ist daher - auf hohem künstlerischem
Niveau - wegweisendes Zeichen zu christlichen Inhalten.
So arbeitet er auch im Sinn von Josef Beuys, der keine
Kunsterscheinung für sich alleine, sondern immer
in einem bestimmten Kontext sehen wollte.
Geschmack, Gefallen, vordergründige Schönheit,
sind Vokabeln, die zu Thomas Werks Arbeiten nicht passen,
sondern Wahrheit und Klarheit sind das, was sie ausstrahlen,
das, worauf es dem Künstler ankommt. Wahrheit aber
hat die ihr eigene Schönheit und in diesem Sinne
sind seine Kunstwerke schön, sehr schön.
Dr. Irmtraud Kulzer
Würzburg, Juni 2008 |